Content Marketing: Der Wachmacher für Werbemüde?
Inhalte sind längst geschäftskritisches Unternehmensgut. Damit werden PR-Agenturen zum ausschlaggebenden strategischen Partner, der neben den handwerklichen Fähigkeiten des Schreibens künftig auch ein tiefgreifendes Verständnis für Lösungen, Kundenbedürfnisse und vertriebliche Prozesse mitbringen muss.
Pünktlich zur Jahreswende ist es wieder soweit: Verlage und Fachzeitschriften versenden ihre Mediendaten nebst Themenplanung für das kommende Jahr. Die Marketingabteilungen in den meisten Unternehmen sehen sich angesichts der überbordenden Flut an Informationen und des allgemeinen Zeitmangels jedoch vielfach nicht mehr in der Lage, aus eigenen Mitteln eine durchgängige Medienplanung zu erstellen. Glücklicherweise gibt es zur Unterstützung professionelle Media-Agenturen. Diese sind ausschließlich auf den Medieneinkauf und die Umsetzung von crossmedialen Kampagnen spezialisiert und liefern ausgetüftelte Mediapläne „nach allen Regeln der Kunst“ – also zeitlich aufeinander abgestimmte Werbemaßnahmen, die gängige Leistungswerte wie Zielgruppenaffinität, Kanal, Reichweite und Kontaktdichte optimal abstimmen, um die im Vordergrund stehenden Marketingziele zu flankieren.
Der so entstehende Werbedruck war in der Vergangenheit ausreichend, um die Markenwahrnehmung Stück für Stück zu steigern, neue Produktentwicklungen in den Markt zu kommunizieren und es den Kollegen aus dem Vetrieb insgesamt ein wenig leichter zu machen, Kunden umsatzwirksam von den Stärken der eigenen Lösungen zu überzeugen. Doch künftig wird Druck allein nicht mehr genügen, um die eigene Marktposition langfristig zu sichern. Denn seit einigen Jahren, so beklagen führende Marketing-Verbände und Werbegurus, macht sich zunehmend der natürliche Feind eines jeden Marketingverantwortlichen breit: die Werbemüdigkeit.
Der Kunde wird zum Fan
Dem Werbeverdruss, den Informationsflut und Dauerberieselung mit sich gebracht haben, ist mit bunten Bildern allein nicht mehr beizukommen, darüber herrscht allgemeiner Konsens. Um nun dem Dilemma aus Werbevermeidung und Reaktanz ein Schnippchen zu schlagen, haben SEO-Spezialisten und Online-Werber in den vergangenen Jahren eine vielversprechende neue Disziplin entdeckt, deren Sogwirkung mittlerweile bis in die Offline-Welt zu spüren ist: das Content Marketing. Als klassische Domäne von PR-Agenturen bisher eher als Unterzweig des Marketings angesehen, steht die Erstellung von Content heute im Zentrum des strategischen Marketings. Führende amerikanische Brausehersteller geben inzwischen laut eigenen Aussagen mehr Geld für Content Marketing aus als für TV-Spots. Und das, wie es scheint, aus gutem Grund. Wie repräsentative Studien nahelegen, sind Content-getriebene Maßnahmen in puncto Markenbildung, Werbeerinnerung und Stärkung der Kaufbereitschaft den klassischen Werbeformen in vieler Hinsicht überlegen. Denn hier soll der Kunde über den passiven Konsum von Werbung hinaus mithilfe von Content-Initiativen und entsprechendem Mitmachfaktor zum überzeugten Fan oder besser gleich zum „Brand Evangelist“ werden.
Ein Drittel des Marketingbudgets wird in Content investiert
Eine aktuelle Befragung des US-amerikanischen Content Marketing Institute (CMI) unter fünftausend Marketingprofessionals zeichnet ein klares Bild über die Relevanz von Inhalten: 88 Prozent aller befragten Unternehmen investieren in Content Marketing und nehmen dafür rund ein Drittel ihres Budgets in die Hand. Verkaufsunterstützung und die Generierung von hochwertigen Leads sind dabei die meistgenannten Werbeziele. Die am häufigsten genutzten Werbekanäle entsprechen weitgehend dem heute üblichen Media-Mix. Print gehört bei 57 Prozent der Marketingverantwortlichen zum festen Arsenal im Paid-Media-Bereich – eine Steigerung von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Danach folgt Bannerwerbung. Ganz oben in der Gunst steht erwartungsgemäß das Suchmaschinenmarketing, für rund 66 Prozent der Verantwortlichen das Top-Mittel zur Verteilung von gebrandeten Inhalten. Starken Zuwachs im Jahresvergleich verzeichnen vor allem Promoted Posts und Bildmaterial.
Der Markt bestimmt Mittel und Inhalte
Auch das Content Marketing ist keine Allzweckwunderwaffe, mit der jeder Inhalt in jedem beliebigen Markt funktioniert. Strategien wie Storytelling oder andere Maßnahmen, die letztlich auf eine positive Emotionalisierung von Markenbotschaften abzielen, mögen für Smartphones, Wearables oder sonstige Commodities mit Thrill-Faktor angemessen sein. Dem gestressten Rechenzentrumsleiter mit 60-Stunden-Woche und Kostendruck im Nacken werden derartige Ansätze aber bestenfalls ein müdes Lächeln abringen. Denn ihm geht es hauptsächlich darum, Risiken zu vermeiden. Und hier zeigt sich die eigentliche Herausforderung von inhaltsbezogenen Maßnahmen. Diese liegt nämlich im Abgleich von Kontaktklassen und konvergierenden Themenbereichen. Inhalte müssen im Bezug zur angebotenen Lösung stehen, dabei aber immer die Motive der jeweiligen Zielgruppe in den Vordergrund stellen.
Deal ist deal
Gerade im Content Marketing gilt es, eine passgenaue, zielgruppengerechte Ansprache zu finden. Glaubwürdigkeit und redaktioneller Nutzwert sind Grundvoraussetzungen, damit Inhalte positiv wahrgenommen werden. Stimmen die angebotenen Informationen nicht mit der Erwartungshaltung der Lesergruppe überein, weil sie zu werblich sind oder keinen beratenden Mehrwert bieten, gerät der im Content Marketing übliche Deal „Kontaktdaten gegen Information“ schnell in Schieflage. Statt Reputationsgewinn droht dann eine nachhaltige Schädigung der Kundenbeziehung. Um dem im Content Marketing elementaren Qualitätsanspruch gerecht zu werden, bedarf es deshalb einer intensiven Kooperation zwischen PR-Agentur und Hersteller. Direkte Schnittstellen zu Wissensträgern müssen etabliert und eine übergreifende Kommunikations- und Entscheidungskultur geschaffen werden, die PR, Offline- und Online-Marketing sowie vertriebliche Ziele miteinander verknüpft.
Akquirieren Sie noch oder warten Sie schon?
Eine der Kernaufgaben des Content Marketings ist die Leadgenerierung, denn sie verbindet Marketingziele schließlich mit vertrieblichen Zielsetzungen. Hier liegt die Kunst darin, den potenziellen Kunden im Rahmen des Lead-Nurturing-Prozesses mit passenden Inhalten durch die einzelnen Phasen der Nachfragebildung zu begleiten. Nach und nach soll so die intrinsische Kaufabsicht im potenziellen Kunden reifen – ganz ohne Werbedruck. Hierbei sind vor allem Fingerspitzengefühl und das richtige Timing gefragt. Eine zu frühe persönliche Kontaktaufnahme kann als störend empfunden werden und so den Verkaufsabschluss hemmen. Bei einer zu späten Kontaktaufnahme erinnert sich der Kunde eventuell nicht mehr an die aufgenommenen Inhalte oder hat seine Nachfrage bereits bei einem Wettbewerber gestillt. Abhilfe schaffen hier automatisierte Marketingsysteme. Diese können, beispielsweise aus dem Nutzungsverhalten einer Landingpage, den Stand der individuellen Kaufabsicht ableiten. Anschließend wird der Interessent subtil per Newsletter mit relevanten Fachartikeln, Trendpapern oder E-Books versorgt, die exakt seinem aktuellen Stand im Kaufzyklus entsprechen. Beschäftigt sich der Interessent etwa mit dem Thema „Implementation und Konfiguration“, weist das auf einen unmittelbaren Bedarf hin, und der Vertrieb bekommt grünes Licht für die Kontaktaufnahme.
In- und Outbound-Marketing sinnvoll verknüpfen
Das Content- oder Inbound-Marketing stellt die Grundgesetze der klassischen Vermarktung auf den Kopf. Statt Werbedruck und Reichweite heißt es nun Überzeugungsarbeit zu leisten und dabei ganz auf eine schrittweise reifende Kaufabsicht zu setzen, bis der Kunde einem quasi in die Arme fliegt. Doch so erfolgversprechend diese Ansätze auch sind — ganz ohne Druck funktioniert Werbung nicht. Werbung muss Druck aufbauen und darf ab und zu auch mal stören, aber nicht um jeden Preis. Inhalte sind die perfekte Ergänzung für klassische Outbound-Maßnahmen, denn sie geben dem potenziellen Kunden Gelegenheit, mal durchzuatmen und sich auf entspannte Weise mit einer Produktlösung zu beschäftigen. Doch auch die Bereitschaft, sich mit Inhalten eines bestimmten Anbieters auseinanderzusetzen, muss zuerst erzeugt werden. Und zwar über herkömmliche Outbound-Maßnahmen wie Print, Banner oder E-Mail-Marketing. Für Marketingabteilungen und Mediaplaner brechen somit spannende Zeiten an. Denn mit den Möglichkeiten des Content Marketings erweitert sich die Klaviatur des Marketings um eine interessante, neue Tonart. Und nur wer hier in Zukunft die richtigen Töne trifft, wird mittelfristig das Rennen um Märkte, Kunden und Thought Leadership gewinnen.